Im Herzen Umbriens, nur einen Steinwurf entfernt von Assisi, liegt das Städtchen Montefalco. Generationen von Pilgern, durchquerten spätestens seit dem Mittelalter diesen Landstrich auf dem beschwerlichen Weg nach Rom. In den vielen Klöstern und Städtchen Umbriens, die sich wie strahlende Perlen auf den Hügeln der wogenden Landschaft aneinander reihen, fanden sie Herberge. Bis heute schmiegen sich Bauerngehöfte, umsäumt von unzähligen Olivenbäumen, deren Blätter silbern in der Sonne glänzen, dazwischen und die verträumten Gässchen Montefalcos laden mit Ihren kleinen, feinen Restaurants und Weinbars zum Verkosten und Verweilen ein.
Auf den Anwesen rund um den ,Falkenberg‘ versammeln sich im Herbst die Familien wie eh und je, um die reifen, grünen, aromatischen Früchte von den Bäumen zu kämmen und die Trauben der zu fast jedem Anwesen gehörenden Weinberge in die Keller zu bringen. Und wenn am Ende sich alle an den langen Tafeln versammeln, glaubt man sich in einen dieser Klischee-Werbespots versetzt, die vorgeben, ganz Italien sei toskanischer, als die Toskana selbst.
Nur eines hat sich in den letzten rund dreißig Jahren grundlegend verändert. Das, was tief rot bis schwarz in den Gläsern in der Herbstsonne funkelt, ist nur noch selten ein süßer Passito (Dessertwein) aus der hier üblichen Sagrantino-Traube. Heute keltern die Bauern aus der autochthonen Rebsorte trocken ausgebaute Weine, die sich von Jahr zu Jahr spannender präsentieren.
Hatten vor allem Mönche schon seit ca. 1550 vorzugsweise aus der Traube dieses Tanin reichsten Weines der Welt ausschließlich Süßweine für Kirchenfeste fermentiert, konzentrieren sich die Winzer heute darauf, diesen Roten bei niedrigen Temperaturen um 25 bis 30 Grad Celsius so sanft wie möglich zu vinifizieren. Dies und eine Reifezeit von mindestens 38 Monaten erzeugen weiche und samtige Gerbstoffe die trockenen Sagrantiono unwiederstehlich machen. Im sogenannten „Montefalco Rosso“ wird neben Sangiovese hingegen das autochthone Powerpaket Sagrantino nur zu einem geringen Prozentsatz in Cuvees eingebunden. „Es gäbe zwar Belege in den Chroniken des Städtchens Montefalco, dem DOCG des Sagrentino, dass es auch früher schon Versuche gab Sagrantino trocken auszubauen, aber dies ist in Vergessenheit geraten und erst kürzlich in den mittelalterlichen Schriften wieder entdeckt worden“ so Valentino Valentini.
Der ehemalige Bürgermeister Montefalcos baut mit viel Herzblut die alten Liegenschaften seines Großvaters zu einem modernen Weingut aus. Valentiono Valentini selbst wuchs in der Schweiz auf, wohin sein Vater aus gewandert war. Als dieser jedoch vor einigen Jahren die Azianda Agricola Bocale erbte, siedelte er mitsamt seiner Familie zurück auf die Scholle im Herzen Italiens. Mittlerweile haben Valentino und seinen Geschwistern das Gut übernommen und dank seiner internationalen Herangehensweise an die Dinge zu einem Vorzeige Gut der Montefalco Sagrantiono DOCG umgewandelt.
So wie Valentino Valentini gibt es rund um Montefalco einige Weinmacher der zweiten bzw. dritten Generation, die die alten Wurzeln mit neuem Leben füllen. Auch Liu Pambuffetti, Urenkelin eines ehemaligen Landarbeiters und späteren Besitzers des ersten echten Weingutes der Region, „Scacciadiavoli“, steht für diese grandiose Entwicklung. Auch sie sammelte im Ausland – unteranderem in den USA – Erfahrungen, zog einen Fischhandel auf, bevor sie in den väterlichen Betrieb einstieg. Und nicht zu vergessen in dieser Riege ist Marco Caprai. Er ist der Macher unter den Erben, der seine Erfahrungen als Textiltycoon in das väterliche Gut einbrachte. 1988 baute er den Familienbetrieb nach internationalen Maßstäben um, kaufte Lagen dazu und begann 1991 eine Zusammenarbeit mit der Universität Mailand.
Der wohl weinverrückteste unter ihnen ist jedoch Giampaulo Tabarrini. Obwohl einst der elterlichen Betrieb, wie die meisten dieser Region eher einem Bauchladen mit allem was das Land zu bieten hat glich, sieht Giampaulo im Wein die Zukunft der Tabarrinis. Nichts ist vor diesem Weinbessenen sicher. Den kleinen Hof hat der quirlige Vollblutwinzer eigenhändig so aus gebaut, dass er den Spagat schafft zwischen neu gebautem Kreuzgewölbe mit super Lichteffekten und hochtechnisiertem Gärkeller 6.0. Sein Team wirkt eher wie das einer jungen Start Up Company – völlig eins mit der Zukunft, die sich bei allem Fortschritt zu ihren individuellen Wurzeln bekennen.
Und dann gibt es da noch Genossenschaften, wie die Catina Tudernum, die sich glücklich schätzen, in der DOCG Rebflächen zu besitzen. Womit wir schon bei einer weiteren Kategorie Weinmacher rund um Montefalco wären. Wer die Region beobachtet wird feststellen, dass auch immer mehr finanzkräftige Kellereien anderer Regionen sich hier einkaufen. Die Ferrari-Familie aus dem Trento mit „Tenuta Castelbuono“ stehen hierfür ebenso, wie die toskanischen Weinmacher Cecchi mit der „Tenuta Alzatura“. Zudem investieren überdurchschnittlich vermögende Weinliebhaber in die Region und lassen sich auf das Abenteuer Montefalco ein. 1981 nahm der Rechtsanwalt Antonelli ordentlich Geld in die Hand und investierte das alte Anwesen eines Weingut. Guido Guardigli vom Weingut Perticaia ist ebenso einer dieser „Neuwinzer“ der zusätzlich zu seinen Weingut auch ein Ferienressort für sanften Tourismus betreibt.
So unterschiedlich wie die Winzer und ihre Geschichten sind, so unterschiedlich sind ihre Vorstellungen vom Sagarantino der Zukunft. Der hat in seiner brachialen Präsenz sehr hohe Ansprüche an seine Verarbeitung, um seine volle Vielschichtigkeit zu entfalten. Grundsätzlich sind die Winzer sich dabei in einem Punkt einig: Verwendet wird fast ausschließlich der sogenannte „Free Run Juice“. Der garantiert, dass wirklich nur die feinen Tanine über die Maische im Wein landen. Die Lagerung der Weine nach der Gärung jedoch prägt die Handschrift der einzelnen Güter.
Sicher bleibt noch vieles zu tun, um eine eindeutige Linie für diese faszinierende Traube zu finden. Bedenkt man jedoch das die Montefaloco Sagrantino DOCG erst rund 25 Jahre alt ist, kann man aber davon ausgehen, dass auch diese Aussage in den nächsten Jahren noch konkreter wird. Bleibt also abzuwarten wie lange noch die Gegend um Montefalco mit seinen Weinen zumindest auf dem deutschen Markt und für deutsche Weinliebhaber ein Geheimtip bleibt.
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Dieser Artikel entstand mit der freundlichen Unterstützung des Consorzio Tutela Vini Montefalco.