Die slowenische Adriaküste ist nur knapp 50 Kilometer lang, doch dieser kurze Küstenabschnitt zwischen Italien und Kroatien hat es in sich. Piran begreifen, das heißt, die Ohren spitzen und zuhören.
Durchquert man die Altstadt, hallen die Schritte in den engen Höfen und engen Gassen wider, und man kann den eigenen Atem hören. Wenn der Regen auf das Pflaster trommelt, rauscht das vielstimmige Plätschern und Gurgeln des Regenwassers von Dächern und Rinnen und sickert in die groben Fugen der Pflastersteine. An stürmischen Tagen rollen schaumumsäumte Brecher und meterhohe Wellen auf die Stadt zu und krachen so heftig gegen die aufgetürmten Findlinge, dass Muscheln, Sand und Steine bis zu den Hauswänden geschleudert werden. Flauen die Winde ab, strömt belebende Seeluft, würzig, salzdurchtränkt und mild in die Lungen.
Dazu tragen auch die weltberühmten Salinen von Strunjan bei, in dem einzigartigen Naturreservat in Sichtweite von Piran gelegen. Sieben Jahrhunderte harte Arbeit der Salinenarbeiter formten Kanäle und Salzbecken, die heute noch in ihrer Ursprünglichkeit erhalten sind. Seit dem 14. Jahrhundert wird bis heute das Salz in einem unveränderten Prozess gewonnen.
Erklimmt man den kleinen Leuchtturm auf der Punta von Piran und wendet man seinen Blick in Richtung Venedig, ahnt kaum jemand, was sich kaum zwanzig Meter von der Küste entfernt unter dem Meeresspiegel abspielt. Das Naturdenkmal „Kap Madonna“ bietet einem unglaublichen Reichtum an Pflanzen und Tierarten, die man hier nie vermuten würde. Taucher und Schnorchler können hier ein wahres Unterwasser-Eldorado erobern.,
Doch zurück nach Piran. Im Sommer wird die Landzunge von Badegästen aus aller Welt frequentiert -, dann verwandelt sich die asphaltierte Promenade in ein wahres Farbspektakel von bunten Sonnenschirmen, Luftmatratzen, Handtüchern und Liegestühlen. Menschen frönen der Sonne und dem azurblauen Wasser. Ältere Herrschaften dagegen sitzen derweil mit Zeitungslektüre unter den weit ausgefahrenen Markisen des Hotels Piran oder den einladenden Bistros direkt am Wasser. Sollte es kühler sein, wechselt man ins schicke, windgeschützte „Café Bar Neptun“, nippt am Caipirinha oder an einem Glas Malvasia.
Dort, wo heute die weißen Marmorquader des Tartini-Platzes die sengende Hitze reflektieren, dort war einst das Hafenbecken. Und wenn es stürmt, schwappt das Adriawasser über den Stein, als würde das venezianische „Acqua Alta“ nicht nur den Markusplatz, sondern aus Solidarität Piran mit vereinnahmen wollen. Kein Zufall: Vom 13. bis ins 18. Jahrhundert gehörte Piran, genau wie seine Schwesterstädte Izola und Koper, zur Republik Venedig. Zur gleichen Zeit kamen die Habsburger an die Macht. Sie schütteten die heruntergekommene Hafenanlage zu, und verlegten sie so geschickt, dass rund um den Platz Regierungsbauten und Kaufmannshäuser entstehen konnten. Heute ist Piran ein verführerisches Kleinod, das jedem Besucher ein wohlig-anheimelndes Gefühl vermittelt.
Auf dem Altstadthügel thront der Turm der Georgskirche wie eine Miniaturausgabe des Campanile vom Markusplatz. In den Gassen erheben sich Palazzi rot und blau, Spitzbogenfenster und geflügelte Steinlöwen allgegenwärtig. „Beneanka“ (Venezianerin) heißt der berühmteste von ihnen. Genuss und Erholung schleichen sich wie von Zauberhand in die Köpfe und Seelen der Besucher und Gäste. Kaum jemand, der sich nicht sofort in dieses verkehrsberuhigte Städtchen verliebt. Eine Unzahl von Appartements und Hotels jeden Anspruchs, attraktive Ausflugsziele und Outdoor-Angebote machen Piran zu einem erschwinglichen Urlaubsort.
Auch der historisch ambitionierte Besucher kommt auf seine Kosten. Der imposante Stadtplatz gleicht einem steinernen Bilderbuch. Fassaden mit Fresken, mit Inschriften und Jahreszahlen erzählen die Geschichten von weltlicher Macht und geistlicher Autorität. Kämen plötzlich zwei venezianische Würdenträger in ihren raschelnden Gewändern um die Ecke, niemand würde sich darüber wundern.
Und so kann es passieren, dass plötzlich und unvermittelt eine Gruppe barockgewandter Freunde des berühmten Violinisten Giuseppe Tartini auf dem namensgleichen Platz erscheinen. Es ist eine Hommage an den berühmten Künstler, der 1692 in Piran geboren wurde. Wie schwer der Abschied fällt, wenn der Urlaub zu Ende ist, bemerkt man spätestens dann, wenn man mit einem leisen Seufzer die Koffer packt.
Der Slowene ist ein im allgemeinen ein geselliger Genosse. Fleißig, freundlich, ordentlich und sauber. Letzteres bemerkt man, sobald der Urlauber aus weniger reinlichen Städten den Wurzenpass überquert. Alles ist wie geleckt. Gleichgültig, ob es sich um Vorgärten im Dorf, um Straßen, Gehwege oder Grünanlagen handelt. Es drängt sich permanent das Gefühl auf, als sei Sauberkeit und Ordnung das erklärte Hobby der Bürger dieses Landes. Umso wohler fühlt sich der Besucher.
In der Altstadt trinkt man Espressi, lümmelt in Korbstühlen, diniert im Hotelhafen, beobachtet das Treiben auf dem Platz und lässt den Herrn im Himmel einen guten Mann sein. Stimmen, Gesten und lautes Lachen verleihen den verwinkelten Gassen und romantischen Plätzen ein ganz besonderes Fluidum. Von hier aus kann man sich wunderbar durch die Altstadt treiben lassen, vorbei an Palazzi mit bröckelndem Putz und kleinen Bars, in denen es nach Kaffee, Knoblauch und Adria riecht. Die Küstenbewohner gelten als „Italiener Sloweniens“ und genauso verhalten sie sich auch, wenngleich sie ein gespaltenes Verhältnis zu ihrer eigenen Geschichte haben.