Wer die Karten deutscher Gastronomen durchforstet, trifft in den seltensten Fällen auf kalabrische Weine. Und würde man auf einen treffen, bedürfte es sicher eines Gespräches, denn weder Trauben noch Winzer erfreuen sich in unseren Breiten einer großen Bekanntheit. Schade eigentlich! Starten wir also einen Versuch.
Wer glaubt, Kalabrien sei nur staubig und trocken, der wird spätestens beim Anblick der Bergrücken des Sila- Gebirgsrücken eines Besseren belehrt. Die stetigen Winde, die vom Tyrrhenischen und Ionischen Meer über die Stiefelspitze Italiens wehen, treiben trotzt backofenheißer Temperaturen in den Sommermonaten immer wieder Wolken vor sich her und lassen die Bergrückender schon von Weitem smaragdgrün leuchten. Von hier aus ziehen sich die Weingärten der Bauern Kalabriens bis in die Küstenstreifen im Osten, und die besonders durstigen Ebenen im Westen.
Auf gerade einmal 12000 Hektar Fläche gedeihen hier vor allem widerstandsfähige Rote, wie Magliocco, der für seine ätherischen Noten bekannt ist, der kräftige Gaglioppo (geht auf die Griechen zurück und war bereits zu Zeiten der Römer die hier vorherrschende Traube) oder Calabrese (auch Nero d`Aval), aber auch Weißwein vor allem Greco Bianco (der von der antiken Sorte Amine abstammen soll). Angepasst an die mitunter flirrende Hitze, wurzeln die Reben tief im überwiegend lehmig-sandigen Boden Kalabriens, der ab und an mit Kalk und rostroten Schichten durchzogen ist.
Das Ergebnis sind fruchtige, kräftige Weine, die gerade bei den Roten erstaunliche Fitness in den Aromen zeigen. Die Struktur dieser Rotweine ist dennoch erstaunlich angenehm von feiner rubinroter Frage. In Nase und Mund zeigt er Waldbeeren, Schwarzkirschen, Schokolade, feine Kräuter wie Thymian, Rosmarin und sogar Anisnoten oder Anklänge von Zimt.
Die Weißweine bestechen, dem Klima geschuldet, mit einer kräftig, oft goldener Farbe und einer außerordentlichen Fruchtsüße, der eine balancierte Säure und Mineralität gegenübersteht. In Nase und Mund finden Mirabellen, Orangen und saftige Mandarinen zusammen, die setzen sich in Begleitung von harmonischen Kräuternoten saftig in Szene.
Insgesamt gibt es unzählige kleine und große landwirtschaftliche Betriebe, die neben Olivenöl und anderen Produkten, Wein anbauen. Einige der wichtigsten sollen hier genannt sein. Beginnen wir im Westen, im Gebiet Lamezia Terme. Eines der wohl schönsten und größten Güter von Kalabrien ist das, der Gebrüder Statti. Von insgesamt 300 Hektar Land bewirtschaftet die Familie rund 100 Hektar nur mit Wein. Erzeugt werden moderne Autochthone die eine Brücke zur Tradition schlagen sollen. Fakt ist die Weine der Gebrüder Antonio und Alberto Statti habe bereits international Aufmerksamkeit erregten. Besonders aufgefallen ist mir der weiße Statti Greco Calabria IGT 2015, der saftig und mit komplexen Noten von Mandarine und Orange besticht und von herbalen Noten begleitet wird. Aber auch die Roten sind allesamt empfehlenswert. Weiter im Norden in der Gebiergslandschaft von Cosenza treffen wir auf die Terre del Gufo. Das Weingut, das sich an die Hänge von Donici oberhalb der Ausläufer des Savuto-Tals schmiegt, ist ein kleines aber feines Familienunternehmen. Herr über die Reben ist Giuseppe Muzzillo, dessen Passion von je her ein ökologischer Umgang mit dem ihm anvertrauten Land ist. Seine Weine sind keine Leichtgewichte, aber gut zu trinken. Schön ist sein „Kaulós“ aus 60 Prozent Calabrese und 40 Prozent Magliocco. 20 Prozent im neuen Holz ausgebaut, verwöhnt er mit Noten von Schwarzkirsche, Vanille und Schokolade. Gar nicht weit davon entfernt, ebenfalls in den Bergen um Cosenza hat Demetrio Stancati mit der Azienda Serracavallo ein weiters, wichtiges Weingut aufgebaut. Auch hier stehen im Mittelpunkt die roten Autochthonen. Ca. 600 Meter über dem Meer gedeihen eigens kultivierte Clone von insbesondere Magliocco, neben dem weißen Peccorello und anderen Sorten. Was das Weingut auszeichnet, sind nicht Gefälligkeit, die der„Terraccia Valle del Crati IGT“ in seinem Reichtum an herben Aromen in Verbindung mit den kräftigen aber nicht unangenehmen Taninen dieses Terroir wohl am besten beschreibt. Dritter im Bunde der Betriebe rund um Cosenza ist das Weingut Colacino. Die Weingärten von Mauro Colacino liegen auf ca. 400 bis 500 Meter Höhe über dem Meeresspiegel. Angebaut werden hier neben einigen Weißen der allgegenwärtigen Magliocco, Nero Cappuccino, Greco Nero. Gearbeit wird hier vorwiegend mit Cuvees, die neben einer intensiven Frucht auch die klassischen mediterranen Kräuternoten wie Thymian und Rosmarin einfangen. Zu empfehlen der „Vigna Colle Barabba Saputo D.O.C.“.
Wechselt man auf die andere Seite an die Ferse des Stiefels, trifft man auf das Cirò, derzeit die wohl spannendste Gegend Kalabriens. Sicher kommt man nicht umhin, einen Abstecher zum Gut Senatore Vini zu unternehmen. Bereits in vierter Generation erzeugt der Familienbetrieb konstant prämierte Weine. Neben den sehr guten Rot- und Weißweinen ist hier besonders der Puntalice DOP Cirò Rosarot ein Glas wert. Was uns zu den „Revoluzern“ unter den Weinmachern speziell hier im Cirò bringt, die sich neben ihren Roten auch um die Rosario verdient machen. Einige Winzer der neuen Generation bewegen sich damit auf neuen Pfaden. Die „Jungen Wilden“ haben sich auf die Fahne geschrieben etwas abseits der bekannten Wege, biologisch und sehr authentisch zu produzieren, was unter den extremen Klimagegebenheiten nicht immer einfach ist. Zu ihnen gehören u.a. Sergio Arcuri, Cataldo Calabretta,Baron Capoano, Tensta Iuzzolini, Tenuta del Ponte, Cote di Franze, um nur einige zu nennen. Gemeinsam beraten sie sich nicht nur in Sachen Qualität, sondern auch Vermarktung und haben so eine Art Interessengemeinschaft gegründet, um im Haifischbecken der Großen mitschwimmen zu können, ohne die eigenen Ideale dabei nicht zu verraten. Last but not least, gehört natürlich ein Besuch von Librandi dem Aushängeschild dieser Region zum Muss.
Eine der schönsten Verbindung zwischen charaktervollen Weinen und feinem Essen findet man auf der Azienda Agricola Ceraudo in Strongoli im sich südlich an das Cirò angliedernde Melissa. Der Familien Betrieb besticht mit sehr kräftigen gehaltvollen Weinen, die eine sehr ansprechende Dichte besitzen und gerne nach Schokolade dunkler Frucht und Gewürzen duften und schmecken. Die Schwestern Susanna und Caterina, die heute den Familienbetrieb führen, haben ein Restaurant mit Fine Cuisine angegliedert, in der kalabrische Küche gekonnt international offeriert wird.
Wer sich also auf den Weg macht, wird im heißen Süden zwischen Spann und Ferse Vieles entdecken, das so gar nicht staubig und trocken ist, sondern Lust macht, auf eine regionale frischer Küche, erstaunlichen Weinen und deutlich mehr ist, als all die Geschichten um Ndrangheta & Co.
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HIER WERDEN WEIN GEFEIERT –AZIENDA AGRICOLA CERAUDO