Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sich der erst kürzlich verstorbene Vater aller deutscher Gastronomiekritiker, Wolfram Siebeck, auf dem Galadinner zum 20. Jubiläum des Feinschmecker über Schneckeneier und so manchen exzentrischen Auswuchs auf den Tellern der Gourmetküche und Edelgastronomen lustig machte. Und fast mit erhobenem Finger mahnte er, die Produkte die uns längst gegeben sind wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Weniger Chichi, mehr elegante, jedoch nicht überladene oder gar exaltierte Küche. Das war 1995.

Viel ist seither in internationalen Töpfen und auf den sich daraus speisenden Tellern passiert. Molekulares  ergänzte Saisonales, das wiederum hatte den Asia-Aromen-Sturm von Koriander und Zitronengrasarien überlebt – auch wenn bis heute bei Alfons Schuhbeck der Ingwer hängen blieb. Veganes, Laktose-Freies, Exotisches Gesteamtes oder BBQ-Gesmoktes – ach der Säue sind so viele, die seit Witzigmans Revolution der deutschen Küche und den jungen, mittlerweile auch in die Jahre gekommenen, Wilden um Marquard oder unter Adrian völlig losgelöst durch Küchen und Lokale getrieben wurden. Das schöne daran: Selten erreichten sie auf breiter Front die Sterneküche und jeder dieser Trends nutzte sich nach geraumer Zeit auch wieder ab. Übrig blieb meist nur ein neuer Ansatz, um aus einer simplen Knolle eine Gaumen und Seele verzückende Speise zu zaubern.

161179_web_R_K_by_A. Kern_pixelio.deEIER DER WEINBERGSCHNECKEN – IN FRANKREICH EINE DELIKATESSE

Denn genau diese propagieren amerikanische und nun auch deutsche Publikationen als Superfood. Und während die Schneckeneier hierbei ihre Renaissance erleben würden, toppen indische Wissenschaftler eines Instituts für Stammzellenbiologie und Regenerative Medizin mit ihrer Neuenddeckung in Sachen Superfood den Schwachsinn. Kakerlakenmilch heißt das diese „Ambrosia“. Das Darmsekret der kleinen sechsbeinigen Allesfresser sei milchartig und diene wie bei den Säugetieren dazu, die Nachkommen dieser Schädlinge aufzuziehen. Es sei nahrhafter als alle vergleichbaren Produkte und genial für die menschliche Ernährung. Na, Mahlzeit!

690890_original_R_K_by_segovax_pixelio.deKUHMILCH  ODER SOJAMILCH

Einzig die Frage nach der Gewinnung dieser Kakerlakenmilch, bleibt derzeit noch unbeantwortet. Aber man denke darüber nach, dieses Sekret synthetische „nachzubauen“.
Ja, braucht die Menschheit so das jetzt auch noch? Reichen, zumindest hierzulande, den Kuhmilchallergikern und Veganern nicht schon die Palette pflanzlicher Emulsionen aus Mandeln, Soja, Dinkel, Reis oder Kokos usw.? Und sollten wir bevor wie uns mit diesem Blödsinn befassen, nicht lieber damit befassen wie wir noch behutsamer und besser mit dem umgehen was uns die Natur schon gegeben hat?

Und dann auch noch das: Angeblich, so die Conclusio in einem der amerikanischen Artikel zur Kakerlaken Milch, werde ja der beste und teuerste Käse der Welt auch nicht aus Kuh-, Schaf- oder Ziegenmilch sondern aus Schweinemilch hergestellt.
Wie bitte? Ich komm weiß Gott herum, aber der wurde mir noch nie angeboten. Entweder ist mir da wirklich was entgangen oder Borat mit seinem Käse aus Muttermilch ist näher an der Realität als mir lieb ist.
Tja, Herr Siebeck, was hätten Sie wohl heute mit spitze Feder zu soviel Ernährungsschwachsinn anmerkt. Vielleicht hieße es bei Ihnen auch diesmal so wie 1995: Zurück zu den Wurzeln!
Ich meine: Unser tägliches Brot gib uns heute … und führe uns nicht in Versuchung sondern bewahre uns vor dem Übel…

Published by Hanka

20 Jahre Erfahrungen als Redakteurin mit Schwerpunkt Reise, Genuss und Lebensart. Nach zehn Jahren Tätigkeit für das Nachrichten Magazin „FOCUS“ folgten diverse Vertretungen in unterschiedlichen Chefredaktionen und die Arbeit als Chefredakteurin des Lifestylemagazins „Vivida“ sowie der „Business Lounge“, „Business Lounge Travel“ und „Business Lounge Woman“. Daneben immer wieder Veröffentlichungen als Autorin in Special-Intrests wie „Reise und Genuss“ , „Fine“ etc.

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