Es gibt ein Weingebiet in Italien, das fast unbekannt ist. Dabei sind seine Nachbarn die wohl renommiertesten Regionen unserer südlichen Nachbarn. Im Westen der Emilia-Romagna zwischen dem Piemont und der Toskana liegen die Colli Piacentini. Die Hügel von Piacenza. Seit 1967 ist das Gebiet mit dem DOC Status geschützt und es bringt außergewöhnliche Weine hervor.
Die Colli Piacentini liegen südlich von Piacenza. Hier geht die breite Poebene in den Apennin über und auch das Klima ändert sich. Die Luft ist klarer. Sieht man von den Weinbergen in Richtung Stadt, dann wird das deutlich sichtbar. Hier strahlender Himmel, dort die dunstige Ebene.
Es sind im Wesentlichen vier Flusstäler die die Region prägen. Da ist zum einen ganz im Osten das Val d´Arda, dann folgt das Val Nure, das Val Trebbia und im Westen das Val Tidone. Jedes davon prägt die Weine die hier wachsen und jedes davon hat seinen Reiz. Sehenswert sind vor allem die kleinen mittelalterlichen Burgen und Städtchen wie Vigoleno oder Castell´Arquato im Val d´Arda.
Ist das Gebiet schon unbekannt, sind es seine Weine meist auch. Und so sind bei uns Gutturnio oder Ortrugo Namen, die selbst in der Fachwelt oft nur mit einem Schulterzucken kommentiert werden.
Eigentlich schade. Deshalb hier ein paar Worte zu den wichtigsten Weinen der Colli Piacentini.
Da die Colli Piacentini einst auch zum Piemont gehörten, ist es nicht verwunderlich, dass hier die Barbera eine der beiden wichtigen roten Sorten ist. Die andere ist die Bonarda, wie die Croatina auch genannt wird. Von den insgesamt fast 6000 ha. Weinbergsfläche in den Colli Piacentini sind 3075 ha je zur Hälfte mit diesen beiden roten Rebsorten bestockt. Bei den Weißen gehören die autochthonen Sorten Malvasia di Candia Aromatica ca. 700 ha und die Ortrugo ca. 612 ha zu den erwähnenswerten Weinen. Der Rest ist mit international bekannten Rebsorten bestockt.
Der Gutturnio ist eine eigenständige DOC innerhalb der DOC Colli Piacentini. Der gleichnamige Rotwein, der seinen Namen von einem antiken römischen Trinkgefäß bekommen hat, ist eine Cuvée aus Barbera und Bonarda (Croatina). Der Gutturnio wird still aber auch als frizzante ausgebaut. Der einzige Rotwein der uns meist einfällt wenn wir frizzante hören ist der ebenfalls in der Emilia-Romagna beheimatete Lambrusco. Ein Name der oft mit süß, leicht, jedenfalls nicht mit „richtigem“ Wein in Verbindung gebracht wird. Ein Wein der oft unterschätzt wird. Es gibt hier sehr gute Qualitäten.
Auch der Gutturnio frizzante ist ein leichterer Wein. Ein wenig bitter, aber eben deshalb passt er gut zu etwas fetteren Speisen, wie Coppa piacentina, Pancetta piacentini oder Salami piacentinio. Ein wenig Grana Padano oder Parmiggiono Reggiano dazu und fertig ist die italienische „Brotzeit“.
Als stiller also aus unserer Sicht „normaler“ Wein kann er als Riserva zu Hochform auflaufen. Es besteht aber immer die Gefahr, dass der Winzer den Wein ein wenig zu international-geschmeidig macht. Ein Gutturnio hat Charakter und man schmeckt seine Herkunft. Besonders als Superiore.
Die DOC Ortrugo stellt innerhalb des italienischen DOC-Systems eine Besonderheit dar. Denn im Gegensatz zu allen anderen DOCs, die nach den Regionen und Orten benannt sind, hat die DOC Ortrugo den Namen von der Rebsorte. Die Ortrugo, was im Dialekt so viel wie „die andere Traube“ bedeutet, ist eine autochthone weiße Rebe, die klare, frische Weine mit einer ganz charakteristischen Nase von weißen Blüten und leichten Citrusnoten hervorbringt. Auch diesen Wein gibt es oft als frizzante oder als spumante. Eine Empfehlung für Alle die Abseits von Prosecco das Prickelnde suchen.
Dasselbe bei der anderen wichtigen weißen Rebe in den Colli Piacentini. Die Malvasia di Candia Aromatica hat sicherlich nicht diese intensive Nase wie beispielsweise Gewürztraminer und sie wird fast immer trocken ausgebaut. Vom leichten trockenen frizzante mit schönem, kurzem und trockenen Abgang bis zu den stillen Weinen, die mit exotischen Früchten an duftige Spätlesen erinnern. Genau das macht diesen Wein so interessant. Er ist mit vielen Speisen zu kombinieren und kann seiner Säure wegen sehr gut als Schaumwein produziert werden.
Die Colli Piacentini sind nicht nur prickelnd sondern auch süß. Und sie haben mit einer weiteren Besonderheit aufzuwarten. Der kleinsten DOC Italiens. Mit nur 9 Produzenten und 1500 Flaschen im Jahr ist der Vin Santo di Vigoleno DOC eine wahre Rarität und nur rund um das romantische Burgdorf Vigoleno im Val d`Arda zu finden. Mindestens 60 Monate, davon 48 im Holzfass reift diese Cuvée aus Santa Maria und Melara min. 60% und anderen wie Ortrugo und Trebbiano Romagnolo.
Im Gebiet des Val d`Arda gibt es noch einen Wein der Erwähnung finden sollte. Der Monterosso Val d`Arda DOC. Eine Cuvée aus Malvasia di Candia aromatica, Moscato, Trebbiano Romagnolo und Ortrugo im Wesentlichen, die einen harmonischen und frischen Wein hervorbringt, der, wie hier üblich auch in frizzante und spumante Versionen erhältlich ist.
Über die wechselvolle Geschichte dieser kleinen Region – angefangen von den Fossilien im Val d`Arda über die alten Römer, für die Piacenza und seine Umgebung ein wichtiger Handels- und Verkehrsplatz war, bis zu den vielen kleinen Fürstentümern der italienischen Renaissance, die hier beeindruckende Bauten hinterlassen haben, könnte man eigentlich ein eigenes Buch schreiben. Nur so viel sei gesagt. Wein war immer wichtig.
Vin Santo di Vigoleno – Die kleinste DOC Italiens