Praia ist nichts für Sandstrand-Junkies. Dafür pulsiert die Hauptstadt hörbar und so eigen wie die Kap Verde selbst. Gelegen auf Santiago, der größten der neun bewohnten Inseln des vor der Westküste Afrikas im Zentralatlantik gelegenen Inselstaats, spürt man überall das pralle Leben. In diesem Jahr feiern die Kap Verde 40 Jahre Unabhängigkeit von der früheren Kolonialmacht Portugal. Dennoch ist noch viel von diesem Einfluss auf der afrikanischsten aller Kap-Verde-Islands zu spüren – besonders der akustische.

DAS PLATEAU © Cristiano Barbosa

MODERN EINGERICHTET – DIE ZIMMER DES PESTANA TRÓPICO

KÖSTLICH DIE FRÜCHTE DER INSEL

OMNIPRÄSENT ÜBER DEN TOD DIE SÄNGERIN– CESARIA EVORA

Nur wenige Gehminuten entfernt vom Plateau, dem historischen Stadtzentrum der Hauptstadt Praia, liegt eine dieser Oase der sanften Töne – das „Pestana Trópico“.  Im Vier-Sterne-Haus aus dem Jahre 1996 beherrscht  der Klang der Insel selbst die vermeintliche Stille. Palmenwipfel, wiegen sich flüsternd im stetigen Wind und verbreiten tropisches Feeling. Das Meer liegt auf Sichtweite und rauscht leise bis zum Hotel herauf. Lediglich das Stimmengewirr der Altstadt dringt nicht bis zu den 93 modern und schnörkellos eingerichteten Zimmern, darunter acht Suiten, die sich in U-Form um den Meerwasser-Pool gruppieren. Für dieses einzigartige Flair steht das „Pestana Trópico“  wie kein anderer Platz auf Santiago.

Von den Wänden beobachten uns die braunen Augen der Sängerlegende Cesária Évora. Sie war „die“ Stimme der Inseln. Und morgens, begleiten die kulinarischen Köstlichkeit des Büfetts mit frischen Papayas, sehr schmackhaftem  Ziegenkäse und andere lokalen und internationalen Delikatessen, Kapverdische Rhythmen. Die sanfte Männerstimme im Hintergrund, die süßlich-melancholische Mornas schluchtst, macht mich neugierig. Das sei Ildo Lobo, ebenfalls einer aus der Riege der Sängerlegenden, erklärt mir Kellnerin Marisa.  Musik durchdringt hier offenbar alles. Über die Musik definieren sich die Einheimischen. Und nicht nur das. Wie für kaum ein anders Land ist Musik auch das bekannteste Exportgut.

UNTERKÜHLTE ELEGANZ IN VULKANSTEIN – DIE AUFFAHRT DES PESTANA TROPICO

Am Mittag begebe ich mich mit Carlo, ein Musikbegeisterter den ich auf meiner Reise getroffen habe, auf einen Streifzug zum Plateau. Carlos, ein renommierter Jazz-Saxofonist und Festivalleiter aus Lissabon, ist nicht zum ersten Mal in Praia. Ihn lockt jährlich die Kapverdische Musikmesse „Atlantic Music Expo“ – ein Fundus für außergewöhnliche Begabungen und akustische Kleinode, erklärt mir Carlos.  Auf dem Plateau treffen wir auf die junge Cremilda Medina, die auf einer winzigen Open Air-Bühne zur Mittagszeit gratis für Jedermann singt. Carlos ist beeindruckt: „Was für eine Stimme“ strahlt er. „Und wie lässig sie sie einsetzt.“ Überhaupt scheint es hier an jeder Ecke zu swingen, wie der nicht aussetzen wollende Wind der über die Insel streift.

DER SONNENUNTERGANG AM POOL DES PESTANA TROPICO BEGLEITET VOM GEZWITSCHER HDERTER VÖGEL

Kurz darauf finde ich mich im Harmonia wieder. Wer je Praia besucht, sollte sich einen Abstecher in diesen wohl bekanntesten Musikladen der Hauptstadt nicht entgehen lassen. Im Harmonia erstehe ich eine Dreifach-CD  meines morgendlichen Gehörgangfutters Ildo Lobo mit dem bezeichnenden Titel „A Voz de Ouro“ – „Die goldene Stimme“. Zufrieden trage ich meine Beute ins „Pestana Trópico“, in den um 18 Uhr, quasi zum Sun-Downer, rund um den Pool sich ein weiterer „musikalischer“  Höhepunkt ankündigt. Allerdings ganz zum Unbill des Hoteldirektors Jorge Xavier.  Hunderte von kleinen Vögeln kommen lautstark  zwitschernd und pfeifend angeflogen, schwirren umher,  um sich nach ihrem gut einstündigen „Konzert“ irgendwann in den Bäumen und Blumen an den Balkonen der Zimmer für die Nachtruhe niederzulassen.  Früh morgens fliegt der gefiederte Chor dann erneut auf und davon.

SÄNGERLEGENDE ILDO LOBO

Den Hoteldirektor Jorge Xavier treffe ich kurz vor meiner Abreise zurück nach Deutschland, um noch etwas mehr über meine Herberge der letzten Tage zu erfahren.  Voller Stolz berichtet er mir von der Entwicklung des Hauses, von Vulkanstein, einheimischen Materialien und vom Mineralwasser das hier direkt aus dem Wasserhahn kommt und wie sich das Haus innerhalb der letzten Jahre immer wieder vergrößert und erneuert hat. „Wir sind schließlich Teil der größten Tourismus- und Freizeitgruppe Portugals. Diese Spitzenposition verlangt von uns, dass wir unseren Gästen das Besondere bieten.“ Und  ich denke: ,Nun ja, tun sie das nicht alle?‘ Und während er mit strahlenden Augen über sein Hotel, den Ort der Gelassenheit in Mitten der Kapverdischen Hauptstadt berichtet, klingen ein letztes Mal leise die Töne der Insel zu uns herüber, so als würden sie sich in mein Gepäck schleichen wollen, direkt neben die Tripple-Edition von Ildo Lobo.

Published by Christoph Giese

Christoph Giese ist als freier Autor u.a. für die WAZ-Gruppe, den Westfälischen Anzeiger und das Medienhaus Bauer tätig. Speziell als Musikjournalist macht er sich seit ca. 20 Jahren einen Namen und veröffentlicht regelmäßig Beiträge in Magazinen wie „Jazzthetik“ und „Jazz thing“.

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