Vulkanische Höhenzüge ragen an den Ufern des Lago di Lugano steil in den Himmel. Wie Zerberusse bewachen Monte Bré, Monte San Salvatore und Sighignola das Tor des Tessin in den Süden. Von hier aus öffnet sich der Kanton nicht nur geografisch in die erlöste Landschaft Italiens sondern auch klimatisch. Warme Winde lassen bei milden Temperaturen Palmen und Orangenbäume gedeihen. „La dolce Vita“ verströmt jede Promenade. Die Menschen sind fröhlicher als im Norden der Eidgenossenschaft. Die Magnolien-Blüte facht im Frühling die Parks der Stadt in eine riesige weiß-rosé-farbene Wolke, im Sommer lärmen Touristen und Studenten am Ufer des Sees und im Spätherbst, leuchtet das farbenprächtige Laub der die Kastanien und Platanen goldfarben vor tiefblauem Himmel, auch dann noch wenn nördlich der Alpen schon Nebelschwaden und Kälte Einzug halten.
Lugano das ist, wo die Schweiz nicht nur italienische spricht. Hier ließ sich Hermann Hesse nieder. Oben in den Bergen in Montagnola, einem Vorort, mit Blick über den See. Hier schirmte sich der Poet und Romancier von Frauen und Familie ab, steckte die Hände in die Erde und schrieb im selbst gewählten Exil. Das Haus hat die Gemeinde dummerweise irgendwann privatisiert. So stehen Touristen vor verschlossen Türen und versuchen, vorbei an genervten Bewohnern die hier ihre Wohnungen bezogen haben, eine Blick auf eben jenen Garten zu erhaschen, der so nicht mehr existiert. Das Hesse-Museum residiert in der Villa gleich neben an. Geleiten von intellektuellen Damen, die geradezu argus-äugig und verliebt mit Herzblut über die Devotionalien des großen Meisters wachen. Ja das Schicksal ist manchmal grausam auch wenn es erst nach dem Tod zuschlägt.
Unten im Tal regiert derweil der Genuss. In den Gassen und auf den Plätzen duften Delikatessen. Eines der schönsten Geschäfte ist das „Gabbani“. Köstliche Schinken, handgemachte Nudeln, Kräuter, kostbare Öle, verlockende Süßspeisen, frisches Gemüse, hier spürt man die geballte Lust der edlen Schweizer Gastlichkeit und der italienischen Lebenslust. Brot verströmt seinen warmen Wohlgeruch, Kaffee seine Aromenvielfalt. Hier schreit alles gerade zu danach, verkostet zu werden. Kaum einen Steinwurf von hier findet sich das legendäre „Grand Café Al Porto“. Hier trafen sich Anfang des 19. Jahrhunderts Maler, Literaten und Politiker aus Nord- und Süd-Europa um die Geschicke der Weltpolitik zu bestimmen. So auch 1945, als Deutsche und Allliierte von hier aus die berühmte Operation Sunrise steuerten. Bis heute hat das Haus seinen Charme aus dem vorletzten Jahrhunderts nicht verloren.
Noch traditioneller sind die berühmten Grotti, rustikale Bauten an den Ufern des Sees, in denen die Anwohner früher ihre Vorräte kühl lagerten. Sie waren bis in die Neuzeit die Domain der Männer Luganos. Hier trafen sie sich ein bis zweimal pro Woche, um mit den Ruderbooten Nachschub für den heimischen Herd und die Vorratskammer zu holen. Klar das Mann sich vor der Rückkehr stärken musste. So wurde in diesen „Kühlhäusern“ so manche wunderbare Flasche geköpft und zu gutem Schinken und Brot über Gott, die Welt und die Frauen philosophiert. Einer der diese Tradtion besonders schätzte, war Hesse. Er ließ sich gern in eine Grotto einladen. Heute dürfen Männer wie Frauen mit Beginn des Frühjahrs bis in den Spätherbst sich als Gäste in einer der Grotti verwöhnen lassen. Neben Weinen und Schinken gibt es heute auch einfache warme Speisen aus der Region zu moderaten Preisen.
Ganz anders dagegen eines der Schönsten Häuser im Tal. Die „Villa Castagnola“. 1880 erbaute die russische Adelsfamilie Ritter das repräsentative Haus. Doch schon fünf Jahre später wechselte die Adresse den Besitzer. Die Neuen kamen aus Luzern und gestalteten das Privathaus zu einer Pension und später zu einem Hotel um. So entwickelte sich nach mehreren Umbauten die Villa zur renommiertesten Herberge im Ort. Seit 1985 gehört das Haus der Luganer Familie Garzoni. Die erweiterten das Anwesen 2002 um das damalige Hotel Du Midi und bauten es zur aktuellen „Art Residence“ um. Mit grossem Gespür für besondere Gastronomie entstand im Erdgeschoss eine Kunstgalerie, integriert in eines der elegantesten Restaurants am Ufer des Lago Lugano.
Die Kunstgalerie hat in 10 Jahren eine Vielzahl an Ausstellungen internationaler Künstler erlebt. Der Mann, der hier am Herd den Kochlöffel schwingt, ist ein Deutscher. Küchenchef Frank Oerthle kreiert spektakuläre Gerichte auf Seefisch und Meeresfrüchte spezialisierte. Dafür wurde der detailverliebte Maitré bereits mit einen Michelin-Stern und 16 Gault-Millau-Punkte ausgezeichnet und dieser Genussführer kürte ihn folgerichtig 2009 zum «Newcomer des Jahres». Hier gibt es sie noch die besonderen Gaumenkitzel, die aus moralischen Gründen woanders leider immer weniger auf den Menü-Karten der Toprestaurants stehe……
Wir gönnen uns eine Gänseleber Trilogie mit Kakao, Pistazien und Haselnüssen mit Millefeuille vom Kürbis und Pannacotta mit Passito de Pantelleria und im Anschluss ein „Farina Bona“ das sind Giochetti mit Wildhasenragout dazu Preiselbeermousse und Ziegenfrischkäse. Zum Hauptgang folgt Knurrhahnfilets mit Muscheln und sardischer Pasta an Sardellenschaum und Peperoncino und zum süßen Schluss – klar wir sind in der Schweiz – ein Karottentörtchen mit Mandarinenschaum und Amarettoeis. Großartig! Zur Weinbegleitung empfiehlt die Karte durchaus ein paar sehr spannende Schweizer Weine. Wer sich bei der Wahl des perfekten Tropfens jedoch unsicher ist, der begebe sich in die Hände von Maître d’Hôtel: Andreas Keller.
So gestärkt lohnt sich für alle Amüsierwilligen ein Besuch in einem der beiden Casinos. Denn genau zwei riesige Casinos haben hier am Ufer des Sees Stellung bezogen. Das eine ist auf Schweizer Hoheitsgebiet mitten im Herzen Luganos gegenüber des Casinobau von Architektenlegende Mario Botta auf der anderen Uferseite angesiedelt in einer kleinen italienische Enklave, die Mussolini gewinnbringen zu nutzen suchte. Und so hinter ließ Botta nicht nur einige wichtige Wahrzeichen in Lugano selbst, wie beispielsweise die Universitätsbibliothek, sondern eben auch jenes Casino. Und weil das alles scheinbar noch nicht genug Kurzweil zusein scheint, inszeniert Lugano sich mit großartigen Kunst- und Kulturfestivals. Die stilisieren Lugano zu eben der schönsten Mischung aus südländischer Lebendigkeit und Schweizer Präzision, die die Schweiz zu bieten hat.