Oberhalb von Meran eingerahmt von 800 000 Apfelbäumen und einigen Weinbergen auf denen vorwiegend Vernasch und Chardonnay gedeihen, liegt eines des schönsten Flecken Südtirols – Schenna. Entlang der Straße, die sich den Berg hinauf schlängelt, reihen sich Höfe und kleine Familien-Hotels mit so klangvollen Namen wie „Sonnenhof“, „Schön’ Aussicht“, „Sonnenwend“ oder „Sonnenparadies“. Schließlich regnet es im Vergleich zum Rest der Region doch eher selten, um genau zu sein: rund 60 bis 80 Tage im Jahr. Ansonsten regiert hier blauer Himmel. Die Blumenkästen an Balkonen und Terrassen gleichen bunten Gemälden, sie bersten von Blumen. In den Gärten sprießen die verschiedensten Kräuter und jede der Herbergen buhlt um seine Gäste mit modernen Zimmern und einer feinen regionalen Küche – einer Mischung aus alpenländisch und mediterran. Es riecht nach „Dolce Vita“, wir sind in „Bella Italia“ … „Wir sind in Südtirol!“ korrigiert mich Maria, die Touristen wie mich als Reiseführerin mit dem Bus ihres kleinen Unternehmens mehrfach wöchentlich von München nach Schenna und zurück begleitet. „Wir sprechen hier lieber Deutsch und hoffen, dass wir auch unter Monti unsere Art Autonomie im Schoß Europas behalten können – zu gern schielt Rom auf den Wohlstand den wir uns über die vielen Jahre erarbeitet haben!“ Und wirklich die schicken, charmant-familieren Herbergen versprühen luxeriöses Understatement!
Obligatorisch für jedes Haus im Ort ist neben kleinen Wellness oder Beauty-Oasen ein eigener Pool – seit rund 50 Jahren hier Tradition. Damals wollten die angehenden Hoteliers des Ortes ein Stück vom Kuchen der neuen Tourismusflut, die in das gelobte Land Italien pilgerte. Doch die meisten Gäste zog es damals weiter ans Meer. So entschieden die Schenner: Abkühlung muss her, um die Fremden zum Bleiben zu verführen. Die Alternative: Sie bauten für ihre „Fremden“, die vor allem aus dem angrenzenden Österreich und dem nicht weit entfernten Deutschland kamen, Schwimmbecken in jeden Garten und an fast jedes Haus. Die Rechnung ging auf. Immer mehr Gäste blieben und über die Jahrzehnte entwickelte sich in Schenna eine regelrechte Poolkultur. Heute heißt es: addiere man die Länge aller Beckenränder des Ortes käme man auf 5000 Meter. Eine stolze Zahl. Die Gäste, die bis dahin maximal in einer der Gründerzeit-Edelherbergen im nahen Meran mal für längere Zeit Quartier bezogen, hatten in den Familienherbergen Schennas somit eine sympathische Alternative. „Zu dem boten schon damals unsere Berge herrliche Möglichkeiten für spannenden Ausflüge.“ erzählt Maria.
Ich selbst habe mich für das Hotel „Weinmesser“, eines der Vorzeigehäuser hier, entschieden. Das hat zwei Gründe: Christian Kohlgruber der Eigentümer ist nicht nur ein feinsinniger Koch und jungdynamischer Hotelier, sondern auch bekennender Weinliebhaber. Davon kann ich mich später bei einigen schönen Tropfen mit ihm auf der Terrasse des Hauses überzeugen. „Der Weinkeller ist mein persönliches Lieblingsprojekt.“ gesteht Kohlgruber, der sich seit kurzem wie seine Frau Somillier nennen darf. „Ich wollte ihr da einfach nicht nachstehen“. Dabei bleiben bei den Kohlgrubers auch die besonderen Flaschen bezahlbar, was das Haus selbst neben seiner anspruchsvollen Küche zum Geheimtipp unter Feinschmeckern macht. Die angefutterteten Pfündchen können die Gäste dann, wie könnte es anders sein, im obligatorischen, schicken Pool-Becken und im Fitnessraum abtrainieren. Das erklärt das die Kohlgrubers, wie die meisten Wirte im Ort, mittlerweile von viele Stammgäste leben.
Selbst Sissi erholte sich unter der milden Sonne Schennas. Bereits an der Autobahnausfahrt begrüßten uns stolze Fächerpalmen, die fleißige Gartengestalter dort gepflanzt haben. Sie sind die Boten von Schloss „Trauttmannsdorf“, ein Ausflugsmuss für jeden Schenna-Besucher. Ursprünglich erlangte der Herrensitz Berühmtheit durch den Kuraufenthalt der Habsburger Regentin Elisabeth. Im Jahr 1870 verbrachte die Kaiserin mit ihren beiden Töchtern Gisela und Marie Valerie einige Wochen im Schloss und kehrte 1889 ein zweites Mal zurück. Doch das herrschaftliche Anwesen, das immer wieder seinen Besitzer wechselte und sich erst seit 1977 in den Händen der Südtiroler Landesregierung befindet, lag lange brach. Erst 1990 beschloss die Verwaltung Südtirol in Bozen auf dem 10 Hektar großen, teils sehr steilem Gelände, einen außergewöhnlichen Garten mit verschiedensten Vegetationszonen zu kreieren. 2001 öffnete dann das Refugium in dem die Besucher heute durch Wald-, Wasser- und Terrassenlandschaften streifen können. Prunkstück der Sammlung ist die älteste Baumart der Welt, von der es nur noch zwei Exemplare gibt, davon eines eben hier und das fristet sein Dasein in einem Käfig – aus Angst vor Dieben. Und während man im Anschluss an Reisterrassen und Lotosblütengärten vorbeizieht, ahnt der Besucher, dass man doch nicht alles beim ersten Mal erkunden kann. Schön das, dank des milden Klimas, die Tore des Paradieses für Botanik-Fans vom 1. April bis 31. Oktober geöffnet sind. Da heißt es wiederkommen.
Wandern am Rande der Waale. Versorgt werden die Gärten von „Trauttmannsdorf “ u.a. genauso wie die Gärten und Felder der umliegenden Bauern, von sogenannten „Waalen“. Ein Begriff mit denen die künstlich angelegten, jahrhundertealten Wasserläufen bezeichnet werden, die bereits aus den Anfängen der Kulturbewirtschaftung der Region stammen und die sich vom Wasser aus den Bergen speisen. Weil die Bauern diese Gräben in Stand halten mussten entwickelte sich parallel zu diesen Wasserläufen ein ausgedehntes Netzt gut zugänglicher Wege. Heute nutzen vor allem Wanderer diese Pfade, die dank ihrer geringen Steigung auch weniger trainierte Touristen erkunden können. Wer ihnen folgt und sich auch in höhere Regionen auf macht, trifft dabei auf ein ebenso dichtes Netz von Schloss-Wirtschaften und in den höheren Lagen auf gut bewirtschaftete Almen. Die laden besonders im Herbst zum sogenannten törggelen ein (dem fröhlichen Wein verkosten). Auf einem schattigen Plätzchen, bei einem erfrischenden Vernatsch und einer regionale Köstlichkeit, kann es dann durchaus passieren, dass man sich in ein Gourmetrestaurant versetzt fühlt. Kein Wunder, haben doch für die Zeit von Anfang Mai bis Ende Oktober 2012 fünf Sterne Köche fünf verschiedene lokaltypische Köstlichkeiten für diverse Lokale neu kreiert. Und egal ob man sich für Käseknödel, Schlutzer (eine Nudelspezialität mit Spinat, Käse und Salbei) oder vielleicht Tirtlan (gefüllte Brandteigtaschen mit Kraut, Quark oder Spinat) zur Weinbegleitung entscheidet, den Geschmack Südtirols wird man auf der Zunge mit nach Hause nehmen, um bald zurück zu kehren in das Kleinod Südtirols – Schenna – da, wo Italien lieber Deutsch spricht.