Meine Damen und Herren, der Riesling 2010! Albert de Jong ist unnachgiebig und streng in seinem Urteil, und kommt trotzdem zu überschäumendem Lob für die deutschen Weine. Auf der diesjährigen Präsentation der VDP-Winzer verkostete der Weinkritiker für “GOOD Taste” die wichtigsten Großen Gewächse Riesling 2010 und Spätburgunder 2009. Lesen Sie auch die Einzelbeurteilungen in unserer Weinliste! Es ist sich wohl niemand dessen bewusst: der Weinjahrgang 2010 ist weinklimatisch betrachtet in Deutschland der große Konter zum Jahrgang 2003! Sie fragen sich, wie ich darauf komme? 2003 spielten die große Sommerhitze und die sehr niedrige Säure eine wichtige Rolle im Weinanbau. 2010 war genau das Gegenteil kennzeichnend. Ein kühler, oft kalter Sommer ließ die Säurewerte recht hoch bleiben. Daher wurde zumeist eine Selbstentäußerung notwendig.
Und dennoch haben diese Jahrgänge trotz dieser Gegensätze auch Gemeinsamkeiten. Die recht kleinen Ernteerträge (2003 durch die kleine Beeren und 2010 durch eine verregnete Blüte) führten bei beiden Weinen zu guten Extrakt-Werten. All das macht sie zu Winzerjahrgängen, bei denen es großer Kenntnis und Erfahrung bedurfte, um wirklich gute Weine zu keltern. Bei der diesjährigen Preview der besten Lagen der VDP-Winzer im mondänen Wiesbaden waren insgesamt 400 Große Gewächse zur Verkostung gelistet. In der Hauptsache stellten die Winzer ihre Weißen von 2010 und Rote aus dem grandiosen Jahr 2009 vor. Ich habe mich dabei besonders auf die Großen Gewächse Riesling 2010 von Mosel, Mittelrhein, Rheingau, Rheingau und Nahe konzentriert. Trotz meiner bekanntermaßen großen Vorliebe für Riesling wollte ich jedoch auch einen spannenden Teil der präsentierten 2009er Spätburgunder begutachten, schließlich ist dieser Jahrgang der Beste der modernen Geschichte deutscher Rotweine. Dabei fand ich es interessant, wie die gesammelte weintechnische Erfahrung des Rotweinausbaus heute in die Praxis umgesetzt wird..
Kommen wir also erst einmal zu den Weißen: Bei den Rieslingen fallen deutlich einige Punkte auf. Es besteht ein Unterschied zwischen früh und spät abgefülltem Riesling Großer Gewächse. Diejenigen, die einige Monate in der Flasche sind, präsentieren sich harmonisch rund, anders als die Exemplare, die oft ganz kurz vor der Verkostung in die Flasche gebracht werden. Diese leiden oft unter einem Abfüllschock. Auch die Temperaturdifferenzen zwischen morgens und mittags, bei einer solchen Verkostung, führen zu Unterschieden. Gegen 15:00 Uhr ist an so einem Tag die Temperatur der Weine und das Klima der Verkostungsräumlichkeit auf einem kritischen Punkt, selbst bei einer so hervorragend organisierten Probe. Zudem war diese Probe als ein erster, wenn auch bezeichnender Eindruck zu bewerten! So wollen wir nicht vergessen: Große Weine brauchen Zeit! Zeit sich zu entfalten, sich zu strukturieren, auch wenn bereits frühzeitig die Qualität des Lesematerials und die richtige Verarbeitung erkennbar sind. Denn wie sagte mein ehemaliger Drei-Sterne-Chefkoch Robert Kranenborg “Mit einer verdorbenen Zutat lässt sich nichts gutes kochen.” Also zurück zum Riesling. Hier fällt mir als Beobachter und Kritiker die extreme Zunahme sogenannter spontan vergorener Weine auf. Ich bezeichne sie folgend als “Sponties”. Beim Spontanvergären bedient sich der Winzer jener Hefekulturen die in seinem Weinkeller bereits vorhandenen sind: in der Luft und flächenanhaftend. Leider führt diese Form der Vinifikation nicht unbedingt immer zu einem positiven Ergebnis.
Persönlich finde ich Spontanvergärung diskussionswürdig! Sicher, Winzer wie Clemens Busch, Heymann-Löwenstein, und der Nikolaihof in der Wachau beherrschen die Technik bestens, aber für viele Erzeuger ist es ein gewaltiges Risiko dem “Spontie”-Keltern wie einem Modetrend hinterher zulaufen, nur um Weinjournalisten zu gefallen, weil diese gerade mal “Sponties” höher bewerten. Ebenso zielen viele Winzer auf Dichte und Konzentration doch die haben überhaupt nichts mit Feinheit und Finessen zu tun. Und gerade Eleganz und Grazie sind es, die den deutschen Riesling so einmalig in der Welt machen! Einer der bedeutendsten und unumstritten stabilsten und zuverlässigsten Weinbaubetriebe ist Helmuth Dönnhoff. Selbst Dönnhoff hat sich bisher (Gott sei Dank) nicht auf diese Technik eingelassen. Ebenso findet die Winzerikone Hans-Günter Schwarz dieses Verfahren völlig überbewertet. Vielleicht haben zu viele Winzer zu große “Mickey Mouse”-Ohren, und zu schnell das Gras wachsen hören, anstatt der eigenen Stilistik zu vertrauen.
Betrachte ich die einzelnen Regionen, so möchte ich anmerken: das Rheingau vermag grob betrachtet noch immer nicht sein gewaltiges Qualitäts-Potential umzusetzen; die Nahe begeistert auch in diesem Jahr aufs Neue, obwohl geografisch klein, mit qualitativen Highlights (Hier eifersüchtelt man nicht mit dem hochpreisigen und hochgewerteten Smaragd aus der österreichischen Wachau, oder versucht sich an Kopien in Wucht und Körper! Das würde sowieso schief gehen!) Ebenfalls trocken und feingliederig sind wieder einmal die Großen Gewächse von der Mosel. In Rheinhessen herrscht hingegen eine andere Stabilität, die zwischen Rampenlicht Qualität und Fragwürdigkeit! Nun noch ein Satz zu den Roten: Bei den Spätburgundern, die ich begutachtete, fand ich fabelhafte, wirklich großartige Vertreter des Jahrgangs 2009, die so manches Pendant aus dem Burgund in den Schatten stellen. Man kann hier ohne Übertreibung behaupten, dass Deutschland heute, mit Frankreich, führend in der Erzeugung feinster Pinot Noir ist und das regional übergreifend!